Renate M. Mayer und Triebwerk9 interpretieren Wolfgang Borcherts humorige Erzählung ‘Schischiphusch’

Wer da war, erlebte am 20. Oktober im alten Feuerwehrgerätehaus vergnüglich-berührende 90 Minuten:

Renate M. Mayer, seit vielen Jahren geschätzt als Vorleserin und Schauspielerin, tat sich mit den Musikern von Triebwerk9 zusammen, um Wolfgang Borcherts heitere autobiografisch gefärbte Erzählung “Schischyphusch oder der Kellner meines Onkels” zu interpretieren.

Wolfgang Borchert und heiter? Der 1947 im Alter von erst 26 Jahren verstorbene Autor ist durch seine ebenso prägnanten wie herzzerreißenden Kurzgeschichten bekannt, die vom Nachkriegselend erzählen (“Nachts schlafen die Ratten doch”) – und natürlich durch sein Drama “Draußen vor der Tür”. Tatsächlich konnte der früh Verstorbene auch anders. Sein Gespür für das Komische und für Absurditäten war entwickelt, sein Wunsch zu lachen enorm wie Menschen, die ihn kannten, berichten.

“Schischyphusch” nun erzählt die Begegnung eines selbstbewussten Lebemannes mit einem traurigen kleinen Kellner aus der Sicht eines Kindes. So verschieden die beiden Männer sind, ein gemeinsamer Sprachfehler – beide lispeln – verbindet sie.

Triebwerk9Renate M. Mayer zischelt sich gekonnt durch die Erzählung, macht sie mit ihrer Interpretation lebendig, hebt die urkomischen Szenen hervor, gibt die berührenden ebenso sensibel wieder. Unterstützt wird die Lesung durch die musikalischen Einschübe des Quartetts von Triebwerk9. Und genau das macht den Abend so einmalig. Denn die Musiker spielen und singen nicht einfach nach Noten, sondern lassen sich von der Erzählung, der Stimme und der Stimmung im Saal inspirieren.

Hoch konzentriert hören sie einander zu, greifen die spontan entstehenden Töne nacheinander auf, treiben sie zu einem Höhepunkt und führen sie zu einem harmonischen Ende. Ihre Interpretationsart ist vom Free Jazz beeinflusst, die entstehende Musik an diesem Abend eher sphärisch. Dann wieder scheint sie von indianischen Gesängen inspiriert. Tatsächlich holt Triebwerk9 das Gefühlvolle von “Schischyphusch” hervor. Versucht nicht noch komischer zu sein als das Erzählte, sondern dringt in ihre Tiefen und Traurigkeiten ein.

Ein besonderer Abend, dem man mehr Zuhörer gewünscht hätte. Die anwesenden Gäste jedenfalls waren durchweg begeistert und suchten noch lange nach Ende der Veranstaltung das Gespräch und den Austausch mit den Künstlern.